Fächerübergreifendes Lernen und Beteiligung auf allen Ebenen
Im Interview erklärt Dr. Michele Geweke, was die Jury des Themenpreises Demokratiebildung an der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule beeindruckt hat.
Die Jury hebt die fächerübergreifenden Lernarrangements „TheA“ und „L.E.B.E.N.“ hervor. Was verbirgt sich dahinter?
„TheA“ steht für „themenorientiertes Arbeiten“ und ist ein fächerübergreifendes Unterrichtskonzept, bei dem die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN im Mittelpunkt stehen. „L.E.B.E.N.“ vermittelt Kindern, dass jede:r Einzelne etwas bewirken kann. Dazu gehört zum Beispiel das Mehrgenerationencafé, in dem Schüler:innen und Senior:innen mit- und voneinander lernen. Neben Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung geht es um konkrete Alltagskompetenzen. Während „L.E.B.E.N.“ stark auf Verantwortungslernen setzt, bündelt „TheA“ naturwissenschaftliche und gesellschaftliche Fächer zu Projekten wie „Mais und Bienen – (k)eine Liebesbeziehung“, bei dem Honig produziert und auf Stadtfesten verkauft wird, verbunden mit Aufklärung zum Insektensterben. Beide Formate stehen für praxisnahes, zukunftsorientiertes Lernen.
Wie können sich die Schüler:innen der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule darüber hinaus einbringen?
Die Schule ist in vielerlei Hinsicht eine „Schule zum Mitmachen“. Über Fächer wie „L.E.B.E.N.“ und „TheA“ werden alle Jahrgänge erreicht und ermutigt, selbst aktiv zu werden. Formate wie der „Rote Salon“ laden Schüler:innen, Eltern, Lehrkräfte und weiteres Personal dazu ein, Ideen zur Schulentwicklung einzubringen – mit dem Anspruch, diese auch wirklich umzusetzen. Für Schüler:innen gibt es zudem das im Fach „L.E.B.E.N.“ verortete Ideenbüro, in dem erfahrene Mitschüler:innen andere bei der Umsetzung von Projekten unterstützen. Ein besonderer Ort ist das „Wunderland“: ein von den Schüler:innen selbst verwaltetes Haus mit Makerspace und weiteren Arbeitsräumen. Hier organisieren sie eigenverantwortlich den Betrieb, nutzen die Räume für Projekte und entwickeln neue Ideen. Diese Mischung aus inhaltlichen Formaten und selbst gestalteten Räumen macht deutlich: Beteiligung ist an dieser Schule nicht nur ein Angebot, vielmehr gelebter Alltag.
Welche Szene hat für Sie die gelebte Demokratie an dieser Schule besonders greifbar gemacht?
Eigentlich waren es zwei. Im Lehrkräfteinterview kam sehr authentisch rüber, dass es der Schule ein echtes Anliegen ist, nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz der Schüler:innen zu erreichen. Demokratiebildung wird hier als Herzensbildung verstanden. Besonders eindrücklich fand ich die Schilderung eines Lehrers. Einige Schüler:innen leben in Wohngebieten in sozial herausfordernder Lage. Manche dieser Kinder hatten zuvor kaum Gelegenheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Durch intensive Beziehungsarbeit gelingt es den Lehrkräften, ihnen genau diese Kompetenz zu vermitteln.
Auf den Punkt gebracht: Warum verdient die Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule den Themenpreis Demokratiebildung?
Weil sie eine Schule zum Mitmachen auf allen Ebenen ist. Wir haben im Themenpreis Schulen gesucht, die Beteiligung im Unterricht, an der Schulentwicklung und in der Gesellschaft ermöglichen. Die Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule schafft es, diese drei Dimensionen zu einem stimmigen Ganzen zusammenzubringen.
Zum Jurymitglied: Dr. Michaele Geweke ist stellvertretende Kollegleiterin und pädagogische Leiterin des Oberstufen-Kollegs Bielefeld.