Interview mit Schulleiter Thomas Bachmeier

Den Umgang mit Vielfalt und Heterogenität: Wir unterrichten Kinder aus 30 Nationen, mit unterschiedlichsten Glaubensbekenntnissen und verschiedensten sozialen Hintergründen.

Bei uns begegnen sich Gleichaltrige, die sonst keine Berührungspunkte hätten. In Südafrika existieren Unterschiede, die in Europa kaum vorstellbar sind. Doch sobald die Kinder unsere Schule betreten, werden alle gleich behandelt. Um es drastisch zu beschreiben: Einige kommen mit Chauffeur. Sie sind in einer Klasse mit Kindern, die hungrig zur Schule gehen und kein Geld für Bücher haben. Als die Jury des Deutschen Schulpreises da war, erzählte ein früherer Schüler: "Ohne diese Schule würde ich vielleicht an der Straße betteln. Heute arbeite ich im Management einer Bank." Ich bin eigentlich nicht so emotional, aber es war sehr berührend. Doch ich will nichts schönreden. Es bleibt eine unglaubliche Herausforderung. Diese Schule ist ein winziger, aber für den Einzelnen unschätzbarer Wert hinsichtlich der Bildungsgerechtigkeit in Südafrika.

Man darf nicht vergessen: Johannesburg wurde nur vier Jahre davor gegründet und war eine Siedlung aus Zelten und Ochsenkarren, wo vor allem Goldgräber hausten. Ein deutscher Pastor begann, Kinder deutscher Einwanderer zu unterrichten. Somit sind wir die älteste gemischte Schule der Stadt. Doch bis auf den Grundstein am Eingang der Schule ist wenig geblieben.

Nein, auch wenn Gäste anfangs manchmal irritiert sind. Es ist ein Zeichen der Zusammengehörigkeit, sie repräsentieren die Schule sichtbar und stolz. Das trägt zur hohen Identifikation bei. Dieses besondere Gemeinschaftsgefühl von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften ist schwer zu beschreiben. Auf der Abschlussfeier, nach meinem Amtsantritt, habe ich mich gefühlt wie der Einzige, der noch nicht zur Familie gehört. Ich sehe uns im Spannungsfeld zwischen Deutschland und Südafrika, Tradition und Moderne. Wir sind im Vergleich zu südafrikanischen Schulen sehr liberal, unsere Schüler dürfen etwa Piercings tragen, was Kollegen an anderen Schulen kaum verstehen, dort wird selbst die Haarlänge kontrolliert. Andererseits legen wir mehr Wert auf Disziplin als Schulen in Deutschland.

1987 beauftragte die Bundesregierung unsere Schule, eine "Neue Sekundarstufe" für Kinder aus dem Township Soweto einzurichten. Sie ist Teil der heutigen Schule. Ein unglaublich mutiger Schritt, wenn man bedenkt, dass Menschen unterschiedlicher Hautfarbe damals nicht mal den gleichen Bus nehmen durften. Unsere Schülerschaft hat sich stark gewandelt. Wir hatten früher 60 Prozent sogenannter Expat-Kinder, deren deutsche Eltern aus beruflichen Gründen drei, vier Jahre in Südafrika waren. Heute sind es noch sieben Prozent und deutschstämmige Südafrikaner in der Mehrheit. Wir nehmen zudem jedes Jahr 25 Kinder aus benachteiligten Familien auf, die dank der Unterstützung der Bundesrepublik einen Bruchteil des Schulgelds von durchschnittlich 3.500 Euro pro Jahr zahlen. Zurzeit bekommen 180 von insgesamt 1.150 Schülerinnen und Schülern ein Stipendium.

Wir sind eine private Schule, ich bin im Prinzip ihr Angestellter. Die Zusammenarbeit ist enger und die Identifikation wesentlich größer als an vielen deutschen Schulen.

Wir haben viele Motoren, allerdings nicht immer aufeinander abgestimmt. Die Herausforderung ist es, das Lenkrad in der Hand zu behalten. Wir haben Vorgaben von südafrikanischen und deutschen Behörden. Südafrikanische Eltern fordern, dass ihre Kinder zwischen Kricket und Rugby wählen können. Deutsche Eltern fragen: Warum eine Uniform? Wieso Ferienunterricht? Darum müssen wir selbstbewusst unser Profil vertreten, das unsere Ansicht von Erziehung und Bildung widerspiegelt.

Diese komplexe Schule, wie sie heute existiert, ist das Ergebnis vieler Verantwortlicher im Kollegium, Management und Vorstand. Ich verlasse mich auf die, die hier seit Jahren sind, und versuche, zunächst gründlich zuzuhören. Wir haben eine Schulleitung mit vier, eine erweiterte mit zwölf Personen. Ich muss auch loslassen können als Schulleiter, mehr delegieren als regulieren im Vergleich zu einer Schule in Deutschland.

Erstens: Selbstständigkeit, das unterscheidet uns von südafrikanischen Schulen. Ich sage den Eltern, wir bereiten auf das Leben vor, nicht nur auf Prüfungen. Das ist für manche befremdlich. Es gibt da auch Diskussionen zwischen deutschen und südafrikanischen Lehrern, weil hierzulande Schülerleistung traditionell stark mit der Person des Lehrers verbunden wird. Deshalb unterrichten südafrikanische Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler sogar in den Ferien. Der zweite Wert, soziale Verantwortung, ist gerade für dieses Land extrem wichtig. Wir bilden Streitschlichter aus, schicken Schülerinnen und Schülern für Sozialprojekte in Waisen- und Krankenhäuser. Der dritte Wert ist Kritikfähigkeit. Kinder aus traditionellen Strukturen sind anfangs verstört, wenn sie miteinander diskutieren sollen und ihre Meinung Gehör findet. Denn in staatlichen Schulen mit bis zu 70 Schülerinnen und Schülern pro Klasse ist Interaktion häufig unerwünscht.

Systematisch, mittels Elternumfragen, Mitarbeitergesprächen und gegenseitiger Unterrichtsbeobachtung. Hauptthema sind momentan Binnendifferenzierung, Inklusion und kooperatives Lernen. Wir haben vor allem im Fach Deutsch unterschiedliche Leistungsniveaus. Frontalunterricht - alle im Gleichschritt - funktioniert da nicht. Deshalb setzen wir in der Nachmittagsbetreuung zum Beispiel gezielt Schülerinnen und Schüler ein, damit sie anderen helfen.

Unsere deutschen und südafrikanischen Abschlussprüfungen schaffen seit zwölf Jahren nahezu 100 Prozent unserer Absolventen. Das hat auch mit einer positiven Haltung zur Leistung zu tun, die sich nicht auf intellektuelle Fähigkeiten beschränkt. Wir sehen die ganze Persönlichkeit: Es ist schön, dass jedes Kind Talente hat, im sozialen, sportlichen oder musischen Bereich. Auch diese Erfolge würdigen wir regelmäßig mit Auszeichnungen.

Mir war klar, dass wir unser Bestes geben. Aber wir konnten nicht einschätzen, wie das von außen gesehen wird. Die Juroren haben die Schule nach drei Tagen so gut gekannt wie ich nach sechs Monaten und auch Schwachstellen gefunden. Unsere Konzepte sind gut, die Umsetzung im Unterricht kann stets verbessert werden. Nach dem Besuch waren wir der Meinung: Dieses offene Feedback ist unbezahlbar.