Individuelle Lernzeiten und Projektarbeit an der Eichendorffschule

 

Schon 2019 gehörte die Mittelschule in Erlangen zu den nominierten Schulen des Deutschen Schulpreises. Seitdem hat sie ihren 2015 angestoßenen Entwicklungsprozess weiter vorangetrieben. Jurymitglied Alexander Gröschner hat die Eichendorffschule besucht und beschreibt, was sie erreicht hat.

Eine Ganztagsschule als zeitgemäßer Bildungs- und Kulturort – das ist der Anspruch der Eichendorffschule Erlangen. Um mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Zukunftschancen für ihre Schüler:innen zu schaffen, setzt die Mittelschule, die in Bayern der Hauptschule entspricht, auf vier Bildungsprinzipien: „Wissen neu lernen“, „Potenziale entfalten“, „Zusammen leben“ sowie „Verantwortung übernehmen – Herausforderungen meistern“.

Mutige und kreative Entwicklung

Dabei ist der Unterricht der zentrale Motor der Schulentwicklung an der Eichendorffschule. Das Kollegium hat in den vergangenen acht Jahren einen enormen Veränderungsprozess in Gang gesetzt. Dafür schöpft es mutig und kreativ die engmaschigen Möglichkeiten an innovationsförderlichen Veränderungsprozessen aus. Die Eichendorffschule reagiert konsequent auf die Voraussetzungen ihrer Schüler:innenschaft und entwickelt ihr Angebot seit Jahren weiter.

So hat die Schule einen gebundenen Ganztagsbetrieb mit vielfältigen musischen, kulturellen, ökologischen und technischen Themen etabliert – eine Ausnahme in Bayern. Gleichzeitig hat sie den Schulalltag neu rhythmisiert, die Stundentafel angepasst, fachliche und überfachliche Angebote neu gedacht und besonders die Lehr- und Lernqualität in den Blick genommen, um die Kinder und Jugendlichen gezielt fördern und stärken zu können.

Selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Lernen

Viele der knapp 400 Schüler:innen verlassen die Grundschule  mit negativen Lernerfahrungen. Oftmals sind die Kinder geprägt von einem Gefühl des Scheiterns – häufig aufgrund schwacher mathematischer Vorleistungen. Der „Raum der Mathematik“ gibt vielen Kindern erstmals das Gefühl, Mathematik zu verstehen. In dieser vorbereiteten, digital gestützten Lernumgebung arbeiten die Schüler:innen des 5. und 6. Jahrgangs selbstständig. Die Lehrkräfte begleiten und unterstützen die Kinder bei Bedarf. Mit diesem Konzept schafft es die Schule, den Schüler:innen die Angst vor Fehlern zu nehmen und stärkt das schulische Selbstkonzept.
 
Der „Raum der Mathematik“ bereitet die Lernenden auf eine zentrale Säule des Unterrichts vor: die Lernbüroarbeit in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch. Hier zeigt sich der Fokus auf die Lernenden sowie die adaptive und fachlich differenzierte Gestaltung der Lehr-Lernprozesse besonders deutlich. Während die Kinder im „Raum der Mathematik“ behutsam an das eigenverantwortliche und selbstorganisierte Lernen herangeführt werden, entwickeln sie sich in den Lernbüros noch stärker zum „Subjekt ihres Lernens“, wie es die Eichendorffschule beschreibt. Die Schüler:innen arbeiten ab dem 7. Jahrgang wöchentlich zehn Unterrichtsstunden, ab dem 10. Jahrgang 13 Unterrichtsstunden in den Lernbüros – jeweils klassenübergreifend in verschiedenen Lernhäusern. Dank digitaler Technologien können sie die differenzierten Aufgaben individuell abrufen. Ihren Lernfortschritt dokumentieren die Schüler:innen im Logbuch. Die Lehrkräfte geben regelmäßig und individuell Feedback zum Wissens- und Lernstand.

Projektarbeit stärkt Basiskompetenzen

Neben den Lernbüros ist die Projektarbeit ein weiteres entscheidendes Konzept der Eichendorffschule, um die Basiskompetenzen zu stärken. Dafür hat das Kollegium fünf „Schulen in der Schule“ eingeführt, die das fachliche mit dem überfachlichen Lernen verknüpfen. So thematisieren beispielsweise die Ackerschule oder die Gesunde Schule naturwissenschaftliche Phänomene. In der Filmschule gibt es einen Bezug zum Fach Deutsch – die Schüler:innen recherchieren, schreiben und führen Interviews. Zudem führen sie Regie, filmen und schneiden ihre Beiträge in einem schuleigenen Medienstudio. Darüber hinaus gibt es die Kunstschule und die KickFairSchule, deren soziales Regelwerk im gesamten Schulhaus gilt. Je nach Interesse können sich die Lernenden halbjährig in die Projekte einwählen, die sich an ihrer Schul- und Lebenswelt orientieren. Die „Schulen“ fördern dabei nicht nur Eigenverantwortung und Partizipation, sondern auch das soziale Miteinander, da alle Projekte jahrgangsübergreifend organisiert sind. Für die in der 9. und 10. Klasse in Bayern verbindlichen einwöchigen und fächerübergreifenden Projektprüfungen sind diese schulischen Projekte vor allem in den Profilfächern eine wichtige Grundlage. Die Schüler:innen erzielen hierbei überzeugende Ergebnisse.

Neue Perspektiven

Bereits 2019 war die Eichendorffschule für den Deutschen Schulpreis nominiert. Seither hat sie ihren Veränderungs- und Gestaltungsprozess intensiv fortgeführt. Außerschulische Partner, Hospitationen in anderen Schulen sowie die Teilnahme am Entwicklungsprogramm des Deutschen Schulpreises haben sie dabei unterstützt und motiviert. Diese Schule zeigt, dass ein „Dranbleiben“ und die damit verbundene Zusammenarbeit mit Wissenschaft und anderen Schulen zu einem erfolgreichen Transfer führen und zu einer „lernenden Schule“ beitragen können. Die Lernerfolge der Schule und ihr pädagogisches Leistungsverständnis haben sich in Erlangen herumgesprochen: Die Eichendorffschule ist im aktuellen Schuljahr 2023/24 erstmals übernachgefragt. Doch vor allem ist sie ein „Gamechanger“ für ihre Schüler:innen, die hier im wahrsten Sinne eine neue Chance für ihren Schulabschluss und ihren beruflichen Lebensweg erhalten.

Zur Person

Prof. Dr. Alexander Gröschner ist Professor für Schulpädagogik und Unterrichtsforschung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie stellvertretender Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises.