Systematische Unterrichtsentwicklung und kooperatives Lernen
Jurymitglied Raika Wiethe erklärt im Interview, warum die Deutsche Internationale Schule Tbilissi den Deutschen Schulpreis 2025 verdient.
Was macht aus Ihrer Sicht das Zusammenspiel von Haltung, Struktur und pädagogischem Handeln an dieser Schule so stimmig?
Im Jahr 2019 hat die zehn Jahre zuvor gegründete Schule im Rahmen der Bund-Länder-Inspektion erstmalig externes Feedback bekommen. Sie hat dieses Feedback als Chance verstanden, um als gesamte Organisation und insbesondere im Bereich des Unterrichts besser zu werden. Sie hat einen systematischen Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozess gestartet und dabei hochprofessionell daran gearbeitet, alle Entwicklungsstränge aufeinander abzustimmen. Dabei ist es ihr gelungen, alle am Schulleben Beteiligten miteinzubeziehen. Die Schule hat beispielsweise kollegiale Hospitationen eingeführt – für mich ein zentrales Qualitätsmerkmal. Eine Steuergruppe legt anhand von Analysen, Daten und externem Feedback Entwicklungsschwerpunkte fest. Die kollegialen Hospitationen sind so gestaltet, dass sie gezielt auf diese Schwerpunkte einzahlen.
Welchen Entwicklungsbereich ist die Schule gezielt angegangen?
Ein zentrales Thema war die Sprachbildung. Verbunden damit waren die Themen Differenzierung und Classroom Management. So haben die Lehrkräfte zum Beispiel ihr Sprachkonzept in der Grundschule überarbeitet. Wichtig war dabei der Ausbau von Team Teaching: Ortslehrkräfte wurden gezielt mit vermittelten Lehrkräften aus Deutschland zusammengebracht, damit alle Bedarfe der sprachlichen Bildung im Blick sind, sei es für sogenannte Muttersprachler oder für Lernende mit Deutsch als Fremdsprache. Die Lehrkräfte planen gemeinsam den Unterricht und unterstützen die Schüler:innen im täglichen Lernprozess individuell. Am Anfang steht dabei eine Analyse der sprachlichen Voraussetzungen eines jeden Kindes.
Nutzt die Schule die Daten aus den kollegialen Hospitationen, um sich gezielt weiterzuentwickeln?
Ja, absolut. Es ist fast wie ein spiralförmiges Curriculum – mit kontinuierlicher Nachsteuerung. Die Schüler:innen werden zu denselben Beobachtungsschwerpunkten befragt und zeigten sich bei unserem Besuch entsprechend erstaunlich reflektiert und differenziert, wenn es um Fragen des Unterrichts ging. Es ist zwar noch kein vollständiger 360-Grad-Blick, aber für eine Schule beeindruckend: eine Kultur des intensiven Hospitierens und Feedbacks, die echte Weiterentwicklung ermöglicht.
Was hat Sie darüber hinaus beeindruckt?
Vor allem die hoch konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Sie geht einher mit Spitzenleistungen, besonders im Deutschen. Die Schule hat sich bewusst entschieden, das deutsche Abitur umzusetzen und nicht etwa ein „International Baccalaureate“. Sie sieht das Abitur als maßgeblichen Qualitätsstandard. Hervorzuheben ist auch die durchgängige kognitive Aktivierung. Wir haben zum Beispiel Methoden des kooperativen Lernens im Einstieg und in der Sicherungsphase einer Stunde beobachten können, die entweder Vorwissen aktivierten, zu einer differenzierten Thesenbildung aufforderten oder aber Gelerntes dialogisch absicherten. Überhaupt gehören gegenseitiges Feedback und Reflexionsschleifen an der Schule selbstverständlich zum Lernen dazu. Daneben haben wir sehr oft problemlösendes Lernen erlebt, das an der Lebenswelt der Schüler:innen orientiert war und diese aufgefordert hat, Lösungswege zu entwickeln und diese später im Plenum zu diskutieren.
Wie zeigt sich diese Grundhaltung im pädagogischen Alltag?
Das Kollegium lebt das Prinzip „alles für die Schülerinnen und Schüler“. Es gibt ein starkes Commitment, jede:n bestmöglich zu unterstützen – und allen eine Stimme zu geben, um zu Partizipation und Mitgestaltung einzuladen.
Zum Jurymitglied: Raika Wiethe ist Pädagogische Koordinatorin am Gymnasium Kronshagen und ehemalige Pädagogische Direktorin der Deutschen Internationalen Schule Johannesburg.